Nachhaltigkeit im Vertrieb vs. Nachhaltiger Vertrieb – plus 8 Tipps

2 Personen zu Nachhaltigkeit im Vertrieb im Gespräch

Während „nachhaltiger Vertrieb“ als Kennzeichen langfristiger Kundenbeziehungen bekannt ist, gibt es bislang wenige Aussagen zu Ausgestaltungsmöglichkeiten von Nachhaltigkeit im Vertrieb. Zweiteres mein die Gesamtheit von ökonomischer, ökologischer und sozialer Nachhaltigkeit im Vertrieb. Da der Vertrieb das entscheidende Werkzeug im Kundenkontakt ist, kommt ihm für eine glaubwürdige Umsetzung von Nachhaltigkeitsaktivitäten im Unternehmen eine besondere Rolle zu. Er lebt mit seinen Kundenkontakten das nach Außen vor, was die Unternehmen sich in ihre Nachhaltigkeits-Agenda geschrieben haben. Deshalb ist es so wichtig, gerade hier anzusetzen.

Inhalt

  1. Nachhaltiger Vertrieb im Face-to-Face
  2. Nachhaltiger Vertrieb: vom Produkt- zum Lösungsvertrieb
  3. Nachhaltigkeit im Vertrieb: Nachfrage seitens Kund*innen wächst
  4. Mit kleinen Schritten zur Nachhaltigkeit im Vertrieb
  5. Tipps für Nachhaltigkeit im Vertrieb

Nachhaltiger Vertrieb im Face-to-Face

Als Vertrieb wollen wir bei aller Vielfalt der Kundenbetreuungsmöglichkeiten die B2B-Direktansprache durch Außendienstler*innen verstehen. Diese besuchen ihre Kunden regelmäßig vor Ort und beraten zur Absicherung bzw. Unterstützung einer Kaufentscheidung.

Scheinbar widersprechen sich das im Vertrieb so oft gelobte Leistungsprinzip und die langfristig angelegten Ziele nachhaltigen Wirtschaftens auf den ersten Blick. Aber eben nur auf den ersten Blick.

Rein ökonomisch ist uns bekannt, dass die Anlaufphasen für die Kundengewinnung sehr kostenintensiv sein können. Das bedeutet: Neukunden sind teurer als Bestandskunden. Und weil das so ist, lohnt es sich immer, Kunden mit verschiedenen Kundenbindungsmaßnahmen zu Stammkunden zu machen. Aufbauend auf der guten Erfahrung des Kunden mit dem Unternehmen wird ein größerer Anteil des Sortiments vom Kunden beauftragt. Der „Share of wallet“, als Lieblings-KPI des Autors, gibt hier eine gute Orientierung. Diese Langfristigkeit einer Kundenbeziehung bezeichnen wir gern als nachhaltigen Vertrieb.

Grundsätzlich aber muss es auch in diesem Bereich einer Organisation möglich sein, nachhaltige Ziele – also ökonomische, ökologische und soziale Ziele – in das Tagesgeschäft mit den Kunden*innen einzubeziehen. Das gilt heute umso mehr, denn die früheren „Haudegenvertriebler*innen“, die sich gern mit der Jahreslaufleistung ihres Firmenwagens brüsteten, sind nahezu ausgestorben.

Nachhaltiger Vertrieb: vom Produkt- zum Lösungsvertrieb

Heute prüfen die schlauen Kunden*innen sehr genau, wer da vor ihnen sitzt und welchen Mehrwert der Besuch ihnen bringt. Produktverkäufer*innen haben es deshalb immer schwerer, denn sie müssen sich den Lösungsvertriebler*innen stellen, deren Haupteigenschaft es ist, dass es nicht mehr um den einzelnen Produktpreis oder dessen Eigenschaft geht, sondern um die Lösung, die im Allgemeinen den Kunden*innen helfen soll, sein/ihr Geschäft besser zu machen. Dies gilt sowohl auf der Ertrags- als auch auf der Kostenseite – meist, indem den Kunden*innen ganz Prozesse abgenommen werden.

Nachhaltigkeit im Vertrieb: Nachfrage seitens Kund*innen wächst

Kunden*innen beginnen zusätzlich vermehrt auf nachhaltige Aspekte ihrer Bezugsquellen Wert zu legen. Das spürt der Vertrieb an vorderster Stelle und reicht deshalb gern nach hinten durch, dass das Unternehmen sich jetzt mal nachhaltiger aufstellen solle – z. B. über einen Nachhaltigkeitsbericht. (Einen Überblick über Siegel und Zertifikate zu Nachhaltigkeit liefern wir hier.) Dass der Vertriebler*in in seinem Tätigkeitsbereich selbst beitragen kann, liegt für ihn/sie noch nicht nahe. Hier beginnt ein Erkenntnisgewinn – auch er/sie selbst kann dazu beitragen, vom Kunden als nachhaltiger Unternehmensvertreter*in wahrgenommen zu werden.

Die Vertriebler*innen sind sich dessen bewusst, dass sie etwas ändern sollten, allein, es fehlt z. T. die Fantasie und der Mut angesichts des Wettbewerbers, der dies unterlässt, was zu einem persönlichen Nachteil durch den Verlust von Umsatz gedeihen könnte. Das ganze Unternehmen müsste sich auf den Weg zur Kreislaufwirtschaft machen – doch wie soll das gehen ?

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Methoden und Best Practice zu Nachhaltigkeit ins Postfach

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Nachhaltigkeit – Aufgabe der Unternehmensleitung

Hier beginnt die Aufgabe der Unternehmensleitung, Nachhaltigkeit in allen Unternehmensbereichen und vor allem in der Unternehmensstrategie zu etablieren. Vergisst sie Teile des Unternehmens oder bewertet diese als nicht möglich, an einer Nachhaltigkeitsstrategie teilzunehmen, verliert sie an Schubkraft. Bleibt die Unternehmensleitung in ihrer Durchsetzung von Nachhaltigkeit in der Vertriebsstrategie nur an der Oberfläche, läuft sie Gefahr vom/n schlauen Kunden*in als Greenwashing interpretiert zu werden. Wie eine Nachhaltigkeitsstrategie entwickelt werden kann, beschreiben wir hier.

Mit kleinen Schritten zur Nachhaltigkeit im Vertrieb

Bei notwendigen Verhaltensänderungen können schon kleine Umgebungsveränderungen auf den Menschen einwirken zugunsten positiver Routinen. Ein Beispiel dafür ist das das sog. Nudging, bei dem durch sanfte Stubser ohne weitere Anreize eine Verhaltensänderung erreicht werden soll.

Keine so kleine Veränderung wäre es, wenn die Unternehmensleitung die Vertriebsstrategie konsequent auf nachhaltige Ziele und Vertriebsmethoden ausrichtet. Die nachfolgenden Themenbereiche sind nur als Ideenpool zu werten. Neben der langfristigen Kundenbeziehung, die ökonomische Vertriebs-Ressourcen schont, können die folgenden weitere Ideen für Anwendungsgebiete sein – ohne Anspruch auf Vollständigkeit:

Tipps für Nachhaltigkeit im Vertrieb:

Ökologische Nachhaltigkeit im Vertrieb:

  • Neuerfinden von Dienstreisen im Unternehmen – nicht jede Dienstreise muss sein, Wegevermeidung widerspricht nicht einer guten Kundenbeziehung, die Kunden können gefragt werden wie oft und durch welche Methode Kontakt gewünscht wird. Durch den Wegfall der Reisezeiten kann so z. B. mit versch. Stammkunden am selben Tag Kontakt gehalten werden, um wiederkehrende Fragen zu beantworten, während aufwendige Präsentationen bei Erstkontakten dem Live-Besuch vorbehalten bleiben. So eine Kräfteeinteilung spart Ressourcen in allen Bereichen.
  • Veränderung der Car Policy mit einem veränderten Schwerpunkt hin zu CO2- Angaben der Verbrennermotoren (https://www.mobilitypolicy.de/). Zum einen können niedrigere CO2-Emissionswerte mit einem höheren Budget belohnt werden. Zum anderen kann die Fahrzeit mit den unterschiedlichen Verkehrsmitteln unterschiedlich bewertet werden. Denn in der Bahn kann Routine- oder Stillarbeiten wie Spesenabrechnungen oder Dokumentationen bearbeiten werden, während dem Autofahren die volle Aufmerksamkeit zu widmen ist. Die Fahrzeit in der Bahn könnte hier mit dem Faktor 0,75 mehr gewichtet werden als die Arbeitszeiterfassung im Auto mit z. B. 0,25. Weitere Informationen zur CO2-Bilanz im Unternehmen hier.
  • Die offizielle Einbindung einer Homeoffice-Regelung für allen Außendienstler*innen in den Vertriebswerkzeugkasten gehört ebenso dazu wie ein neu definierter offizieller Rahmen der Tourenplanung, hin zu wegesparenden Touren wie sie jetzt schon auf Google Maps angezeigt werden.

Ökonomische Nachhaltigkeit im Vertrieb:

  • Prominente Benennung nachhaltiger Produkte und Lösungen im Sortiment für erhöhte Aufmerksamkeit der Kunden*innen zu diesen neuen Schwerpunkten.
  • Nutzung technischer Möglichkeiten, mit den Kunden in Kontakt zu treten, Schulungen der Mitarbeiter*innen zu professionellen Präsentationen (z.B. den visuellen Hintergrund des Präsentierenden in der Videokonferenz gestalten und nicht dem Bürogeschehen des Einzelnen überlassen) oder auch die Möglichkeit, Experten zuschalten zu können, auf die man ohne die Technik nicht so ohne weiteres zugreifen könnte.
  • Entwicklung eines neuen Preismodells – wie Rückführungsmodelle durch Leihmethoden oder Mietmodelle statt Kaufen, bei denen der Verbleib des Produktes bekannt ist und ein Anreiz gesetzt wird, das Produkt am Lebensende wieder an den Hersteller zurückzugeben oder auch „Product as a service“, bei denen nicht mehr das Produkt zur Zweckerfüllung gekauft werden muss sondern nur noch die Dienstleistung/Service für den Zweck vergütet wird.

Soziale Nachhaltigkeit im Vertrieb:

  • Veränderung der Provisionsstruktur zugunsten langfristiger Kundenbeziehungen, indem langfristige Bewertungsmaßstäbe für die Vertriebsleistung des Einzelnen herangezogen werden. So kann z. B. die langfristige Anbahnungsphase eines Vertriebsmodells nicht auf den reinen Geschäftsabschluss zielen, sondern auf die Unterhaltung der Kundenbeziehung mit Hilfe eines Zielerfüllungsmodells, das jährlich verhandelt wird.
  • Einbringung von Arbeitszeitmodellen, die es älteren Vertriebler*innen möglich machen, vorzeitig in den Ruhestand zu gehen, was häufig allen viele Nerven schont, Bsp. Wertguthaben. Hier spart der/die Vertriebler*in einen Teil seines/ihres Gehaltes an und dieser Teil kann verlustfrei (ohne Rentenabzüge) und insolvenzsicher genutzt werden, um früher in Rente zu gehen – siehe auch https://www.bmas.de/DE/Arbeit/Arbeitsrecht/Teilzeit-flexible-Arbeitszeit/wertguthaben.html

Fazit

Einige dieser Maßnahmen sind zugegebenermaßen keine Kleinigkeiten. Doch stellen sie Gestaltungsmöglichkeiten in unterschiedlichen Flughöhen dar, die, abhängig vom Veränderungswillen des einzelnen Unternehmens, seinen Mitarbeiter*innen, der Leitung und den Erfordernissen im Markt, langfristig belohnt werden. Schon mit kleinen Schritten sind hier spürbare nachhaltige Veränderungen möglich.

Gastbeitrag

Dies ist ein Gastbeitrag von Rolf Weinkauff. Er ist Teil des Netzwerks von plant values, hat viele Jahre Geschäftsführungserfahrung und berät nun selbst Unternehmen zu Umweltmanagement und ähnlichen Themen.

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